Dr. Fritz Harzendorf wurde am 27. Juli 1889 als Sohn eines Musikanten in Konstanz geboren, er war der jüngste und einzige Sohn unter 5 Kindern.
Seine Tochter - Agathe Bühler - fragt sich (in der Jubiläumsschrift 1987):
Wer war dieser Mann wirklich? Der ohne jegliche Hilfe seiner Familie studierte und sein Studium mit dem Dr. phil. und dem Dr. rer. pol. abschloss? Der, von Graf Zeppelin gefördert, immer nur "ein Journalist" werden wollte und es trotz aller Widrigkeiten auch wurde? Der bereits 1946 eine Abrechnung und den genauen politischen Werdegang des ganzen Nazi-Regimes darzulegen wusste und wagte?
WER war dieser Mann der "jederzeit seine Pflicht getan hatte und vom ersten Tag des Weltkrieges [dem Ersten] bis zum Schluss als Offizier und Kompanieführer in der vorderen Front stand?"
(Zitat aus: Göppinger Zeitung Nr. 10 vom 13. Januar 1934)
Mein Vater war 50 Jahre alt, als ich geboren wurde, und fast an die 70, als ich richtig anfangen konnte zu begreifen, was für ein grossartiger Mann er gewesen war; deshalb muss ich - wenn ich über ihn als Mensch spreche, aus seinen eigenen Werken zitieren und von Erinnerungen sprechen, die mir meine Mutter mitgegeben hat.
Was konnte ihn dazu gebracht haben, sich so einzusetzen gegen den aufkommenden und dann alles überwältigenden Nationalsozialismus, wenn nicht das Gefühl der Standhaftigkeit; die Überzeugung, dass allein Glaubens- und Redensfreiheit die Lebensform einer Demokratie gewährleisten. Ein Demokrat im wahrsten Sinne des Wortes, der es fertig gebracht hatte - ohne je eine persönliche Veranlassung gehabt zu haben - ohne je persönlich verfolgt gewesen zu sein - ohne durch seine religiöse Überzeugung dazu getrieben worden zu sein -, dass 1933 im Wahlbezirk seiner Zeitung, die wenigsten Wähler für die NSDAP gestimmt hatten. Ein Demokrat, der für seine Überzeugung kämpfte, auch, als es gefährlich wurde.
Die "Göppinger Zeitung" schrieb am 16. Januar 1934:
"Jedem reumütigen Sünder reicht man schliesslich wieder einmal die Hand. Man hätte sogar dem Dr. Harzendorf seine journalistischen Ungeheuerlichkeiten, wenn nicht vergessen, so doch vergeben können, hätte er sich im Hintergrund gehalten. Dass ein Mann aber, der von dem 'Deserteur Hitler' und den ,Hottentottenwahlen' sprach, der jede Gelegenheit benutzte, die Bewegung in gemeinster Weise in den Schmutz zu ziehen, der noch im März 1933 seiner grenzenlosen Abneigung gegen alles, was nationalsozialistisch war, Ausdruck gab, jetzt im Dritten Reich die politische Erziehung eines Volksteiles mit in die Hand nehmen will, ist der Gipfelpunkt der Frechheit."
Absetzung als Chefredakteur - Seifenverkäufer - Versicherungsverkäufer - Untergrunddasein - das KZ lauerte. Wie sein Schwiegersohn berichtet, schlägt er sich während des Krieges, vom nationalsozialistischen Regime wegen seiner freimütigen Kritik am Regime verfolgt, mit Gelegenheitsarbeiten durch; er wird nach Ende des Krieges Chefredakteur am "Südkurier" in Konstanz und arbeitet so am Aufbau eines demokratischen Deutschland mit.
1946 wird ihm von der amerikanischen Militärregierung die Lizenz für die Herausgabe einer Tageszeitung in Göppingen/Baden-Württemberg angeboten; er wird Mitherausgeber der "Neuen Württembergischen Zeitung".
Ebenso bestimmend sollte seine liberale und demokratische Grundhaltung sein, die ihm während der Zeit des Nationalsozialismus unendliche Schwierigkeiten mit dem Regime bereitete und die er erst nach dem Ende des 2. Weltkrieges für den Wiederaufbau und für ein freiheitliches, demokratisches Deutschland als Chefredakteur und Mitherausgeber einer Tageszeitung voll einsetzen konnte.
Der Wunsch, eine demokratische und freiheitliche Presse, unabhängig von einzelnen Personen oder Parteien und persönlichem Gewinnstreben sicherzustellen, brachte ihn schon früh auf den Plan, "seine Zeitung" in eine Stiftung einzubringen. Der Widerstand des anderen Mitherausgebers und ein schwerer familiärer Schicksalsschlag haben diesen Plan zunichte gemacht.
Schon bald nach der Geburt des Sohnes Michael zeigen sich Anzeichen für eine epileptische Erkrankung. Der Vater, getragen in der Hoffnung, seinem Sohn später sein Lebenswerk anvertrauen zu können, bemüht die besten Ärzte in der Bundesrepublik und muss feststellen, wie wenig bei der Bekämpfung der Anfallskrankheiten geschieht, wieviel noch zu tun ist. Sein Entschluss ist bald gefasst: Das Schicksal seines Sohnes Michael soll Grundstein werden für eine Aktion, gestützt auf private Initiative; und das Kapital an dem Verkauf seines Anteils an der "Neuen Württembergischen Zeitung" soll das Startkapital für eine private Stiftung bilden, mit der dem bisher vernachlässigten Gebiet der Anfallskrankheiten in der Bundesrepublik wesentliche Impulse gegeben werden sollten.
Nach intensiven Diskussionen seiner Idee mit Prof. Dr. Dieter Janz, dem Arzt seines Sohnes Michael, begleitet von der juristischen Beratung durch Prof. Dr. Konrad Duden, Heidelberg, werden die Pläne zur Gründung einer privaten Stiftung zu Beginn der 60er Jahre dem Regierungspräsidium Nordwürttemberg zur Genehmigung vorgelegt und mit der Bekanntmachung im Gesetzblatt Baden-Württemberg am 5. September 1962 genehmigt.
Bei der Gründungssitzung 1962 in seinem Haus am Bodensee empfing Fritz Harzendorf den von ihm eingesetzten Stiftungsrat fröhlich und gelöst wie ein Hausvater, der sein Haus bestellt hat. Niemand ahnte, dass er schon um seine Krankheit wusste, an deren Folgen er zwei Jahre später gestorben ist.
STIFTUNG MICHAEL
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